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WARUM GIBT ES PROBLEME?

Nochmals zur Erläuterung

Jeder Mensch auf diesem Planeten hat Emotionen. Sie steuern uns in hohem Maße. Unser Gehirn ist ständig damit beschäftigt, Ordnung in die vielen Eindrücke zu bringen, die es ununterbrochen aufnimmt.

Da Emotionen grundsätzlich funktional sind,

also jede Emotion eine Funktion erfüllt und zu einer Reaktion führt, kann man keine Emotion als „schlecht“ bezeichnen. Die eine mag man lieber spüren, die andere ist einem eher unangenehm, aber auch die ist in diesem Sinne nicht „schlecht“, sondern weist uns auf etwas hin.
Gelingt es uns nicht, eine Emotion in angemessenem Sinne zu erkennen, anzunehmen und nach Verarbeitung auch wieder loszulassen, kann sie in eine Dysfunktionalität führen. Das geschieht meist nicht auf bewusster Ebene, aber wir merken, dass „etwas nicht mit uns stimmt“.

Nach derzeitigem Stand der Wissenschaft

gibt es 12 kultur-übergreifende Primär-Emotionen; sieben, die rein über die Mimik erkennbar sind, und 5, die mit Körperhaltung/Gestik zusammenarbeiten. Sie prägen das menschliche Verhalten und Erleben grundlegend. Zu jeder Primär-Emotion gehört eine Palette von Gefühlen, die damit verbunden sind und unterschiedlichste körperliche Empfindungen auslösen. Emotionen sind nämlich multimodale Phänomene: sie zeigen sich nicht nur in einem nonverbalen Kanal wie dem der Mimik, sondern in mehreren unterschiedlichen wie beispielsweise Gestik, Körperhaltung, Gang, Stimme und Berührungen.

Frösteln, Herzklopfen, Zittern der Hände,

„mulmiges Gefühl im Bauch“, Schwindel, Krämpfe, Schweißausbrüche, Sehstörungen, Zuckungen, Atemlosigkeit, Erstarrung, weiche Knie, Lähmungserscheinungen, ja sogar der völlige Zusammenbruch sind „Äußerungen‘ unseres emotionalen Systems „unter Last“, und das sind beileibe nicht nur Emotionen, die wir als negativ bewerten! Wer jemals richtig verliebt war, findet „seine“ körperlichen Signale sofort heraus.

Wir leben also auf einer ganz erstaunlich bunten Achterbahn der Gefühle,

die wir tatsächlich nie verlassen (bis wir die Welt verlassen). Darin erleben wir eine ungeheure Fülle von auf und ab, links und rechts, hell und dunkel. Alles kann furchtbar sein, aber auch fruchtbar und beglückend. Das lernen wir im Laufe unseres Lebens, verinnerlichen es sozusagen vollautomatisch und verknüpfen die Emotionen (ebenso vollautomatisch) zu unserem Nutzen mit dem Erlebten. Wir lernen nicht nur, uns zu freuen, wir lernen auch, uns vor Gefahr zu schützen.
Manchmal geht aber „was daneben“ in diesem eigentlich perfekten Management.

Was die Gehirnforschung zu den grundsätzlichen Zusammenhängen sagt

Egal was wir fühlen, denken oder tun,

alles ist auf die Erregung von Nervenzellen in unserem Gehirn zurückzuführen. Aber: So wie das bewegende Hörerlebnis eines Musikstückes mehr ist als lediglich die Summe der einzelnen Noten, so ist das Ergebnis der neuronalen Erregungsmuster in unserem Gehirn mehr als die summierte Aktivität der einzelnen Nervenzellen. Und dennoch wird das, was wir erleben oder tun, einzig und allein dadurch bedingt, dass bestimmte Neuronen gemeinsam mit anderen Neuronen feuern. Dabei arbeiten die Nervenzellen in neuronalen Schaltkreisen zusammen – vermittelt durch eine Erregungsübertragung zwischen den Synapsen einzelner Neuronen.

Nach aktuellen Schätzungen haben wir in unserem Gehirn etwa 100 Milliarden Nervenzellen,

die wiederum jeweils bis zu 10.000 Verknüpfungen mit anderen Nervenzellen eingehen. Dies ergibt eine unvorstellbare Anzahl an synaptischen Verbindungen: Forscher gehen davon aus, dass sich in der Hirnmasse von der Größe eines Streichholzkopfes schätzungsweise eine Milliarde (!) Synapsen befinden. Nun stellt sich die Frage, wie es zu diesen Verknüpfungen kommt: Sie entstehen letztendlich durch Lernprozesse, die bereits in der pränatalen Phase, also bereits in der Gebärmutter beginnen. Spannend ist hierbei, dass wir bereits mit der Geburt über 100 Milliarden Neuronen in unserem Gehirn verfügen. Dennoch wiegt das Gehirn eines Neugeborenen nur etwa ein Viertel wie das eines Erwachsenen. Das in der Entwicklung zunehmende Gehirngewicht ist darauf zurückzuführen, dass die Anzahl der synaptischen Verknüpfungen enorm zunimmt. Ebenso nimmt die Dicke einiger Nervenfasern durch den Aufbau von Myelinscheiden zu.

Dabei ist die Gehirnentwicklung ein Leben lang durch zwei Prinzipien gekennzeichnet:

Neuroplastizität und Neurogenese. Unter Neuroplastizität ist zu verstehen, dass unser Gehirn sich lebenslang verändert und neue synaptische Verbindungen aufbaut. Neurogenese bedeutet, dass in unserem Gehirn im Laufe des Lebens nicht nur Nervenzellen absterben, sondern dass unser Organismus ebenso in der Lage ist, neue Neurone zu bilden. Diese beiden Prinzipien sorgen dafür, dass sich unser Gehirn sehr flexibel an neue Lebensgewohnheiten anpassen und ein Leben lang lernen kann.

Unter Lernen verstehen wir eine nachhaltige Veränderung des Verhaltens oder Erlebens durch Erfahrung.

Unser Gehirn lernt nach einem schlichten Grundsatz, den bereits der kanadische Psychologe Donald Hebb mit einfachen Worten Mitte des 20. Jahrhunderts formulierte: „Neurons that fire together, wire together.“ Neuronen, die gleichzeitig feuern, verknüpfen sich miteinander.
(alle Informationen: Dirk W. Eilert www.emtrace.me)

Wie die Harmonie gestört wird

 

Einmal auf die heiße Herdplatte gegriffen,

und schon wissen wir fürs Leben, dass wir das besser lassen. Der Schmerz hält lange genug an, um uns über Wochen an das Malheur zu erinnern. So ähnlich arbeitet unser ganzes Emotionssystem. Es konditioniert uns mit „Do’s“ und „Don’t’s“, wenn wir Angst empfinden, wenn wir Zuwendung bekommen oder von jemand zurückgestoßen werden. Wenn wir etwas tun und belohnt werden, aber auch, wenn wir merken, dass ein Verhalten grundsätzlich erfolgreich ist (oder erfolglos).
Angst hält uns wachsam und verhindert Selbstzerstörung. Trauer versucht zu bewahren, und Ärger will Hindernisse beseitigen.

Wenn Angst uns so vollkommen beherrscht,

dass wir zu keiner Reaktion mehr fähig sind, dreht sich ihr Sinn ins Gegenteil, denn sie zerstört, statt die Zerstörung zu verhindern. Menschen, die Schreckliches gesehen oder gar erlebt haben, kommen aus ihrer Angst nicht wirklich heraus, so lange ihnen nicht von jemand anderem geholfen wird. Für Soldaten, Feuerwehrleute, Polizisten, aber auch für Unfallopfer oder Vergewaltigte, gibt es die Krisenintervention der Psychotherapie, um Erlebtes verarbeiten zu können. Das klappt, so lange es um offensichtliche Erlebnisse geht – aber was ist mit dem Kind, das Gewalt erlebt hat, mit der Jugendlichen, die zweimal fast ertrunken wäre, oder der Frau, die immer wieder in Autounfälle verwickelt wird, bei denen ihr ansonsten nichts passiert?
Der Erwachsene riecht ein Parfum und erstarrt, weil es die Angst in der Kindheit triggert. Die erfolgreiche Managerin bekommt Herzrasen, wenn sie zu einem Dinner am Pool eingeladen wird, und die Fahrerin gibt völlig entnervt den Führerschein ab, nachdem sie an einem harmlosen Unfall auf der anderen Straßenseite nur vorbeigefahren ist.

Da steckt was tief verborgen,

was je nach Situation hervorbricht und uns zu fast willenlosen Marionetten macht – wenn wir nicht achtsam genug sind und uns damit beschäftigen. Viele Menschen wollen sich nicht mit ihren Ängsten konfrontieren, sondern sie immer wieder zur Seite schieben. Auslöser für dieses Verhalten ist – natürlich unbewusst – die Scheu, sich damit zu beschäftigen, denn daraus würden Konsequenzen entstehen. Diese Menschen merken nicht, dass sie sich für andere ‚seltsam‘ verhalten, die das Defizit sehr wohl registrieren, denn sie haben diesen Aspekt verdrängt. Wenn sie Vorgesetzte sind, spüren sie die Spannung und werden dann vielleicht überkritisch und ungerecht.

Das Gleiche gilt natürlich auch für die ganze weitere Palette der menschlichen Emotionen:

den verdrängten Ärger, die unterdrückte Wut, die in der Kindheit eingebrannte Scham, das ständige Schuldgefühl, die „Fassungslosigkeit“, mit der wir vielleicht auf unerwartetes Verhalten anderer reagieren. Oder übertriebenes „Kümmern müssen“, die Abhängigkeit von einer Person oder einer Gruppe, „blinder“ Fanatismus, Unduldsamkeit in der Familie, Intoleranz gegenüber Andersdenkenden. Die Liste kann beliebig erweitert werden.

Wenn wir verstehen, warum wir manchmal „austicken“, warum wir perfekt sein „müssen“, warum wir einem berühmten Menschen „nachlaufen“ oder ihn verabscheuen, ohne dass er uns einen Grund gegeben hat – dann haben wir Macht über uns selbst, dann können wir uns selbst und damit die Situation verändern und Problematiken auflösen.